WM: Manipulation im Skispringen
Norweger disqualifiziert
(09.03.2025) Ein Manipulationsskandal des norwegischen Skisprungteams hat einen Schatten auf die Nordische WM in Trondheim geworfen. Beim Finale auf der Großschanze am Samstag verlor Normalschanzen-Weltmeister Marius Lindvik seine Silbermedaille, der Norweger wurde wegen eines manipulierten Anzugs nachträglich genauso disqualifiziert wie sein auf Platz fünf gelandeter Kollege Johann André Forfang. Im Skisprung-Zirkus sorgte der Betrug der Gastgeber für Schock, Ärger und Unverständnis.
"Das hat jetzt ein bisserl einen faden Beigeschmack", sagte ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl nach dem letzten WM-Bewerb der ÖSV-Adler im Auslauf der Granåsen-Schanzen. Thomas Thurnbichler, Cheftrainer in Polen, war ebenfalls verärgert. "Es ist für mich eine Verarschung. Es ist eine klare Manipulation und klarer Sportbetrug, ähnlich wie Doping. Es tut mir echt leid um ein paar Leute, die hier vielleicht eine Medaille gewonnen hätten, wenn diese Kontrollen früher passiert wären", sagte der Tiroler im APA-Gespräch. "Ich glaube, man hatte es viel früher finden können."
Offiziell wurden die Norweger wegen eines regelwidrigen Anzugs disqualifiziert, Widhölzl gab etwas tiefere Einblicke. "Sie haben anscheinend vom Knie weg bis zum Schritt rauf auf der Innenseite ein steifes Band eingenäht. Das ist nicht erlaubt und bewirkt, dass es steifer wird und dass du, wenn du die Füße auseinanderziehst, den Schritt runterziehst", sagte er. "Es ist ähnlich wie bei einem Wingsuit", ergänzte Thurnbichler.
Norweger sehen keinen Betrug
Die Norweger sahen die Sache anders. "Es ist kein Betrug, sondern ein Regelverstoß", sagte Norwegens Cheftrainer Magnus Brevig. Jan-Erik Aalbu, Skisprungchef im norwegischen Verband, nahm die Disqualifikationen auf sich. "Die Athleten tragen überhaupt keine Verantwortung", betonte er. Der Weltverband FIS bezeichnete das Vergehen im Liveticker als "Manipulation".
Widhölzl zeigte sich jedenfalls glücklich, dass der Schwindel aufgedeckt worden war. "Auf der einen Seite ist es für unseren Sport nicht gut. Auf der anderen Seite ist es aber gut, wenn es kontrolliert wird, dann hast du eine Konsequenz", betonte der Tiroler, der demonstrativ Ruhe ausstrahlte. "Meine Aufgabe ist es, das Chaos unter den Hut zu bringen." Jan Hörl erbte die Silbermedaille mit Verzögerung und war mehr als überrascht. "Das ist schon ein Schock. Das macht es ein bissl unsportlich, es sollte schon immer fair bleiben", sagte der Salzburger.
Rückwirkende Änderungen unwahrscheinlich
Die Farben seiner Medaillen hätten aber wohl auch andere sein können als je zweimal Silber (Team, Großschanze) und Bronze (Mixed-Team, Normalschanze). Die Norweger sprangen beim Saisonhöhepunkt in der Heimat weit, Lindvik holte neben Gold auf der kleinen Schanze auch den Mixed-Titel, das Frauen-Team triumphierte vor Österreich. Ob die Norweger nun rückwirkend bei sämtlichen Skisprung-Bewerben aus der Wertung genommen werden, ist offen - aber unwahrscheinlich. "Ich glaube im Prinzip nicht", sagte FIS-Renndirektor Sandro Pertile auf die Frage, ob es noch zu Änderungen kommen könnte. "Wir haben ein System. Wenn die Kontrolle fertig ist, ist der Wettkampf fertig."
Gerüchte über manipulierte Chips in den Anzügen wies Pertile zurück. "Der Chip war nicht das Problem, sondern die Naht. Das hat nichts mit dem Chip zu tun. Mit dem Chip sind wir sehr zufrieden, der hat funktioniert", erklärte der Italiener, der sich freilich über den Betrugsfall mit weitreichenden Konsequenzen in der Skisprungfamilie ärgerte. "Es ist für uns eine Motivation, in Zukunft besser zu sein", sagte er. Ob Sperren oder andere Strafen drohen, konnte er noch nicht beantworten. "Wir müssen die Situation in Ruhe klären. Das wird ein Thema für die ganze Skisprungfamilie, nicht nur für eine Mannschaft. Wir müssen alle zusammen über das Thema reden."
Geheime Filmaufnahmen in der Nacht
Die Causa war kurz vor dem Großschanzenbewerb ins Rollen gekommen. Auf geheim gedrehten Filmaufnahmen eines polnischen Journalisten ist zu sehen, wie in Einzelteile zerlegte norwegische Sprunganzüge neu zusammengenäht werden. Auf den kursierenden Bildern ist auch Norwegens Cheftrainer Brevig zu sehen. Die Videos wurden in der Nacht auf Samstag gedreht, wie Pertile vom norwegischen Team bestätigt worden war. Deswegen hatte Österreich gemeinsam mit Slowenien und Polen Protest eingelegt, auch das deutsche Team forderte eine offizielle Aufklärung.
Stefan Kraft hatte sich zur Causa geäußert, kurz bevor seine Mitstreiter aus der Wertung genommen wurden. "Wenn wirklich etwas nicht passt, dann soll es nicht nur Disqualifikationen geben, sondern auch härtere Strafen", forderte der rot-weiß-rote WM-Rekordmedaillengewinner. "Ich hoffe, dass sie das dann auch durchziehen."
Denn disqualifizierte Norweger waren bei der WM keine Seltenheit, Springerin Ingvild Synnöve Midtskogen wurde in den beiden Einzelbewerben jeweils wegen eines regelwidrigen Anzugs aus der Wertung genommen, dazwischen hatte sie Gold mit dem Team geholt. "Die Athleten dürfen bei der WM drei verschiedene Anzüge benützen. Den, den sie auswählen, müssen sie den ganzen Tag verwenden", sagte dazu FIS-Kontrolleur Christian Kathol.
(APA/CD)