To Do Listen:
Was steckt dahinter?
(15.01.2025) Ich greife zu meinem dunklen, dicken Edding, der gerade noch an meinem Notizblock befestigt war. Mit einem kräftigen Plopp entferne ich den Stöpsel, setze die Stiftspitze an und fahre waagrecht mit einem quietschenden, schrillen Ton an das grellrosa Post-It an. Ich streiche den Punkt “staubsaugen” durch. Das wäre mal erledigt. Ich starre auf die Liste. Noch drei To-Dos, dann ist es geschafft. Weiter geht’s. Der Modus: Abarbeiten. Funktionieren. Produktiv sein.
Toll. Ich fühle mich wie eine frisch geölte Maschine. Und bin voller Stolz.
To-Do-Listen: Für manche unverzichtbar, um den Tag zu überstehen, für andere mehr eine lästige Pflicht, die einengt.
Aber was steckt aus psychologischer Sicht dahinter? Darüber habe ich mit Verhaltenstherapeut Daniel Martos gesprochen.
“Aus psychologischer Sicht ist eine Tagesübersicht enorm wichtig, weil sie uns Stabilität und Halt gibt”, so Martos.
So empfindet das auch To-Do-Listen- Fan Iris-Sophie. Listen begleiten sie nicht nur im Arbeitsalltag, sondern dominieren ihr ganzes Leben.
Ihr Wecker läutet, sie wacht auf. Wecker abschalten. Aufstehen. Aufs Klo gehen. Zähne putzen. Ihr Kopf beginnt zu arbeiten, sie wird unruhig. Ihr Blick wandert zu ihrem Laptop, auf dem ihre To Do Liste abgespeichert ist. Sie gewinnt Sicherheit. Was hat sie sich nochmal vorgenommen für heute? Arbeiten, Zwei Calls, Arzt-Termin ausmachen, ein Paket zurückschicken und Wäsche machen? Ja, stimmt, steht hier ja.
Am Weg in die Arbeit wird das Hirn noch voller. Mehrere Tasks öffnen sich. Diese Tasks können sie aber nicht aus der Ruhe bringen. Sie ist gewappnet mit ihrer To-Do-Liste, die sie durch den ganzen Tag begleitet. Denn sie schreibt alles sofort auf.
Iris-Sophie über ihre Vorliebe zu Organisation.
Dem kann der Psychologe Daniel Martos zustimmen.
“Iris-Sophie, du bist so organisiert”, ein Kompliment, das sie oft zu hören bekommt. Aber der Schein mag trügen. “Eigentlich bin ich nur extrem faul”, Iris-Sophie lacht.
Die Listen, die eigentlich helfen sollen, lösen bei manchen Stress aus. Jetzt kommt aber die Frage auf, ob es nicht noch mehr stresst, keine To-Do-Listen zu haben. Denn alles, was nicht aufgeschrieben wurde, muss ja im Hirn auf Abruf bleiben. Viele haben mehr Respekt vor sogenannter Task-Paralysis. So nennt man es, wenn man sich dadurch stressen lässt, dass zu viele Dinge auf der Aufgabenliste stehen.
To-Do-Listen laden zu Perfektionismus ein. Das kann sich in eine zwanghafte Richtung bewegen, wie Martos erzählt.
Daniel Martos über die Gefahren von To-Do-Listen.
Der Verhaltenspsychologe empfiehlt daher, To-Do-Listen nach dem sogenannten SMART-Prinzip zu formulieren. Punkte auf der Liste sollen also spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und realistisch formuliert werden. "Ich kann mir zwar aufschreiben: 'Superstar werden', aber das wird mich schnell demotivieren. Wenn ich aber realistische Ziele, wie zum Beispiel Gesangsunterricht aufschreibe, komme ich besser an mein Ziel. Anderes Beispiel: Wenn mir die Steuererklärung wenig Spaß macht, muss ich für mich und mein Belohnungssystem etwas finden, was ich daran attraktiv finde. Am besten etwas, wovon ich so bald wie möglich profitiere", sagt Martos.
Menschen wie Maschinen?
In einer Zeit, in der immer mehr verlangt wird, besser zu funktionieren, können Listen zu Druck führen. Durch Social Media und die Schnelligkeit des Alltags tendiert man immer mehr dazu, sich selbst zu optimieren. Termin hier, Termin da, To Do hier, To Do da. Funktionieren, Absolvieren, Performen. Ein Grund, aus dem Martin To Do Listen boykottiert, wie er mir in einem Interview erzählt.
Martins Meinung zu To Do Listen.
Sind wir Menschen dazu gemacht, zu funktionieren? Iris Sophie hat dazu eine klare Meinung: “Nein, Menschen sind nicht dafür gemacht, aber wir sind auch nicht dafür gemacht, wöchentlich 40 Stunden zu arbeiten, und trotzdem machen wir es."
Mit großen Augen schaue ich auf den nächsten Punkt: Diesen Artikel hier veröffentlichen. Ich streiche durch. Das wäre hiermit wohl erledigt.
(sn)