Syrien: Präsident geflohen!
Islamisten kontrollieren Damaskus
(08.12.2024) In Syrien ist Präsident Bashar al-Assad gestürzt worden. Der Präsident hat die Hauptstadt Damaskus heute nach einer Blitzoffensive islamistischer Rebellen mit unbekanntem Ziel verlassen. Die staatliche Armee hat die Regierungszeit Assads für beendet erklärt. Das Armeekommando habe die Regierungssoldaten außer Dienst gestellt. Regierungschef Mohamed al-Jalali erklärt seine Bereitschaft für eine umgehende Machtübergabe. Die Rebellen bekunden, diese friedlich abwickeln zu wollen.
"Der Tyrann ist geflohen"
Die Aufständischen waren heute in Damaskus einmarschiert. Sie erklären die Hauptstadt für "frei von Assad". Auf Social Media heißt es: "Der Tyrann ist geflohen. Wir verkünden, dass die Hauptstadt Damaskus (von ihm) befreit wurde." Sie seien in die Hauptstadt eingedrungen, ohne dass Truppenbewegungen der Armee zu erkennen waren, wurden betont. Zeugenberichten zufolge haben sich tausende Menschen auf einem Hauptplatz in Damaskus versammelt, Fahnen geschwenkt und "Freiheit" gerufen.
Rebellen dringen in Präsidentschaftspalast ein
Nach ihrem schnellen Vormarsch in Syrien sind die islamistischen Aufständischen in der Hauptstadt Damaskus in den Präsidentenpalast eingedrungen. Augenzeugen berichten der Deutschen Presse-Agentur, die bewaffneten Kämpfer hätten das Palastgelände betreten und "Gott ist groß" gerufen.
In Sozialen Medien war auf einem Video zu sehen, wie einige bewaffnete Männer an einem Einfahrtstor in die Luft schießen, an dem mutmaßlich das Palastgelände beginnt. Der Nachrichtensender Al-Arabiya zeigte Aufnahmen der Rebellen, die Palasträume und Gärten erkunden und Fotos machen.
Regierungschef will bei Machtwechsel kooperieren
Regierungschef Jalali ist nach der Flucht des 59-jährigen Machthabers Assad eigener Darstellung zufolge im Land geblieben und will bei einem Machtwechsel kooperieren. "Wir sind bereit, (die Macht) an die gewählte Führung zu übergeben", sagt Al-Jalali in einer Videobotschaft, die er laut eigener Aussage in seinem Zuhause aufzeichnete. Über diese Führung müsse das Volk entscheiden. "Wir sind bereit, sogar mit der Opposition zusammenzuarbeiten."
Syrien könne "normaler Staat" sein
Die Bürger hat er bei den laufenden Entwicklungen aufgerufen, zu kooperieren und kein öffentliches Eigentum zu beschädigen. Syrien könne ein "normaler Staat" sein mit freundschaftlichen Beziehungen mit seinen Nachbarn. Er selbst habe kein Interesse an irgendeinem politischen Amt oder anderen Privilegien. "Wir glauben, dass Syrien allen Syrern gehört." Jalali war zuvor Minister für Kommunikation und erst seit wenigen Monaten Ministerpräsident in der Assad-Regierung. Unter anderem wurde er von der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wegen seiner Beteiligung an der gewaltsamen Unterdrückung der Bevölkerung in Syrien.
Aufständische wollen friedliche Übergabe der Macht
Das Rebellenbündnis in Syrien will nach Worten des Anführers Abu Mohammed al-Julani die Macht friedlich übernehmen. Öffentliche Einrichtungen in Damaskus "werden bis zur offiziellen Übergabe unter Aufsicht des früheren Ministerpräsidenten bleiben", teilt Julani in sozialen Medien mit. Militärischen Kräften sei es strikt verboten, sich diesen Einrichtungen zu nähern, auch Schüsse dürften nicht abgegeben werden.
Die Nachricht in sozialen Medien veröffentlichte Julani erneut mit seinem bürgerlichen Namen Ahmed al-Sharaa. Es ist ein weiteres Zeichen dafür, dass der Rebellenanführer seinen Kampfnamen Julani ablegen und sich - wohl auch mit Blick auf eine mögliche zukünftige Rolle in Syrien - ziviler geben will. In den vergangenen Tagen war er erstmals öffentlich in den Kanälen der Islamistengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) mit seinem Klarnamen statt mit seinem Kampfnamen aufgetreten.
Der Führer der größten syrischen Oppositionsgruppe im Ausland, Hadi al-Bahra, kündigte an, dass man sich mit arabischen und europäischen Ländern sowie den Vereinten Nationen treffen wolle, um die nächsten Schritte für das Land zu vereinbaren. Dies sagte er dem Fernsehsender Al Jazeera.
Rebellen: Ende einer "dunklen Ära"
"Dies ist der Moment, auf den die Vertriebenen und die Häftlinge lang gewartet haben, der Moment der Heimkehr und der Moment von Freiheit nach Jahrzehnten der Unterdrückung und des Leids", heißt es seitens der Rebellen. Gerichtet an die Millionen Flüchtlinge, die durch den Bürgerkrieg vertrieben wurden, erklärten die Aufständischen: "An die Vertriebenen weltweit, ein freies Syrien erwartet euch."Der 8. Dezember markiere "das Ende dieser dunklen Ära" der Unterdrückung unter Assad und seinem Vater Hafis al-Assad, die das Land mehr als 50 Jahren regierten. Es sei nun "der Beginn einer neuen Ära für Syrien" gekommen, so die islamistischen Kämpfer im Onlinedienst Telegram.
Augenzeugen: Jubel in Damaskus
In Damaskus ist laut Augenzeugen Jubel ausgebrochen. Anrainer haben auf der Straße applaudiert, als die Flucht Assads verkündet wurde, einige waren beim Gebet zu beobachten. In sozialen Netzwerken machten Videos von Bewohnern die Runde, die auf einen Panzer klettern und feierliche Gesänge anstimmen. Einige haben demnach getanzt, andere haben "Gott segne das neue Syrien" gerufen. Laut Augenzeugen waren Freudenschüsse zu hören. Auch in der Metropole Istanbul in der benachbarten Türkei, wo mehr als drei Millionen Syrer leben, gab es Videos zufolge in der Nacht Jubel und Gesänge. Einige zündeten dort Feuerwerk.
Die Aufständischen hatten ihre Offensive auf Damaskus in der Nacht auf heute gestartet. Ein dpa-Korrespondent vor Ort hat von lauten Explosionen und schwerem Maschinengewehrfeuer berichtet. Soldaten der Präsidentengarde haben Augenzeugenberichten zufolge die Hauptstadt verlassen.
(APA/EC)