Spaltet Trump die EU?
Brüsseler Experten warnen
(24.01.2025) Brüsseler EU-Experten sehen ein großes Risiko, dass die Europäische Union unter einem US-Präsidenten Donald Trump noch weiter auseinanderdriftet. Dass Trump zu seiner Amtseinführung keine offiziellen EU-Vertreter, aber Rechtsnationalisten wie Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eingeladen hatte, dürfte bezeichnend für seine Amtszeit werden. Zum Unterschied zur ersten Amtsperiode seien rechtsextreme Kräfte heute normal, und Trump habe in den USA sehr viele Befürworter.
Er sei "verblüfft über die Flut von Kommentaren in den Medien in diesen Tagen", sagt Jean-Louis De Brouwer, EU-Direktor beim belgischen Egmont-Institut, im Gespräch mit der APA. Nichts, was Trump seit seinem Amtsantritt am Montag getan habe, sei "überraschend oder unvorhersehbar" gewesen. "Er setzt jetzt um, was er angekündigt hat. Das war seit dem 6. November (Tag der US-Wahl, Anm.) bekannt. Im Gegensatz zu vor acht Jahren, wo jeder überrascht war", vergleicht er Trump I mit Trump II.
Der Belgier denkt trotzdem nicht, dass die EU diesmal besser vorbereitet ist als 2016, wie ihre offiziellen Vertretenden nicht müde werden zu betonen. Elizabeth Kuiper, assoziierte Direktorin des Brüsseler Think Tanks European Policy Centre (EPC) und Vorstandsmitglied der NGO "Defend Democracy", ist dagegen davon überzeugt, dass Trump selbst besser vorbereitet sei als bei seiner ersten Amtsübernahme: "Es ist ein großer Fehler zu denken, Trump II wird Trump I ähneln. Seine politische Unterstützung in den USA ist überwältigend. Er wird viel mehr akzeptiert, seine polarisierende Taktik ist normal geworden", so Kuiper im Gespräch mit der APA.
"Was in Österreich passiert, zeigt, dass es auch in Europa passiert"
EPC-Geschäftsführer Fabian Zuleeg spricht von einer "Normalisierung des Extremen" und nennt Österreich als Beispiel: "Was derzeit in Österreich passiert, zeigt, dass es auch in Europa passiert." In einer gemeinsamen Dreier-Diskussionsrunde mit dem ehemaligen EU-Botschafter in den USA João Vale de Almeida diese Woche bekräftigte EPC-Experte Janis A. Emmanouilidis, auch in Europa gebe es in den vergangenen Jahren einen "Trend zu rückschrittlichen, illiberalen Kräften. Sie bejubeln Trumps Sieg und glauben, dass er ihnen helfen kann, an der Macht zu bleiben oder sie zu übernehmen."
Dass sehr viele Rechtsaußen-Politiker zur Amtseinführung eingeladen wurden und andere nicht, bezeichnet Botschafter de Almeida als "sehr beunruhigend". Er befürchtet ein "Ende des Anstands in der Politik". De Almeida war von 2010 bis 2014 EU-Delegationsleiter in den USA. "Was in Amerika passiert, bleibt nicht in Amerika. Wir werden es in Europa spüren." Emmanouilidis meint, Trump II "wird uns kollektiv und individuell auf die Probe stellen. Es wird schwierig werden, vor allem wenn es um die Geschlossenheit der 27 (EU-Staaten, Anm.) geht."
"Wir werden sehen, ob wir in der Lage sind, ruhig, cool und vereint zu bleiben. Ich habe gewisse Zweifel", so der EU-Experte. Botschafter de Almeida teilt die Sorge um eine fehlende Einigkeit der Europäer: "Die Kosten sind sehr hoch. Was individuell vereinbart wird, wird sich rächen." EPC-Chefökonom Zuleeg warnt vor dem "Feind im Inneren" der EU: Die Rechtsaußen-Kräfte würden "alles tun, um zu sabotieren und Trump zu helfen, Europa zu spalten". Der US-Präsident habe "praktisch keinen Widerstand, das umzusetzen, was er will".
"Wenn EU nicht weiß, was sie will, wird Trump sie abschlachten"
"Wenn Trump mit der EU Geschäfte machen will, wendet er sich lieber an die Mitgliedstaaten", sagt auch Elizabeth Kuiper: "Teile und herrsche." Sie vermisst die Einigkeit unter den EU-Ländern. "Der Ansatz der Trump-Administration ist, uns so weit wie möglich zu spalten", ist auch De Brouwer überzeugt. "Die EU muss sich zusammenreißen und wissen, was sie will. Wenn sie das nicht weiß, wird Trump sie abschlachten." Für den neuen US-Präsidenten spielten persönliche Beziehungen eine große Rolle. "Aber niemand in der neuen EU-Kommission hat einen guten Draht nach Washington."
Im Gegenteil: Während Trump den früheren Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker noch anerkennend als "tough cookie" (harter Knochen, Anm.) bezeichnete, dürfte das Verhältnis mit Ursula von der Leyen wohl schwierig werden: "Es wird von der Leyen nicht helfen, dass sie ein gutes Verhältnis zu (dem früheren US-Präsidenten, Anm.) Joe Biden hatte", analysiert die Niederländerin. "Sie könnte als Person gelten, die mit dem Feind zusammen war", so auch De Brouwer.
Transatlantische Beziehungen werden nicht mehr dieselben sein
Der Professor für EU-Politik und Recht sieht zwei Ansätze für den Umgang mit der Trump-Administration: "Manche sagen, er sei ein Geschäftsmann, der Deals machen will." Andererseits sei die Regierung sehr von der Ideologie getrieben, "und das könnte auf die EU übergreifen". Als Beispiel nennt er die Abschiebepolitik: "Sie werden nie die Zahlen erreichen, die sie angekündigt haben", ist er überzeugt. Aber sie werden zeigen, dass Rückführungen möglich sind. EU-Politiker könnten dann sagen, "in den USA funktioniert es, wir werden das gleiche tun".
NGO-Vorständin Kuiper befürchtet einen "externen Schock für EU-Politikbereiche wie Sicherheit, Verteidigung, Migration, Klima und Gesundheit". Als Beispiel nennt sie den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutz-Abkommen: "Die USA sind führend bei clean technology (sauberen Technologien). Weder aus klimatischer noch aus unternehmerischer Sicht macht es Sinn, auszusteigen." Die EU müsse im Bereich der Sicherheit "mehr reflektieren, da wir uns immer auf die USA verlassen haben". Sie resümiert: "Die transatlantischen Beziehungen werden nicht mehr dieselben sein."
(apa/mc)