Südkorea: Wirbel um Kriegsrecht
Amtsenthebung des Präsidenten?
(04.12.2024) Nach der kurzzeitigen Ausrufung des Kriegsrechts in Südkorea hat die Opposition einen Antrag auf die Amtsenthebung von Präsident Yoon Suk-yeol gestellt. "Wir haben einen Amtsenthebungsantrag eingereicht, der dringend vorbereitet werden muss", sagten Vertreter von sechs Oppositionsparteien, darunter der größten der Demokratischen Partei (DP), am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Demnach könnte der Antrag bereits am Freitag zur Abstimmung gestellt werden.
Zuvor hatten die Minister des Kabinetts gegenüber Premier Han Duck-soo geschlossen ihren Rücktritt angeboten. Dies berichtete die Zeitung "Chosun Ilbo" unter Berufung auf einen der Regierungspartei nahestehenden Insider. Ministerpräsident werde dazu um 14.00 Uhr Ortszeit (6.00 Uhr deutscher Zeit) mit der Führung der regierenden Partei der Volksmacht und hochrangigen Beratern von Yoon zusammentreffen, so das Blatt weiter.
Rücktrittsaufforderung
Die DP forderte Yoon auf, zurückzutreten oder sich wegen der Verhängung des Kriegsrechts einem Amtsenthebungsverfahren zu stellen. "Selbst wenn das Kriegsrecht aufgehoben wird, kann er einer Anklage wegen Hochverrats nicht entgehen. Es wurde der ganzen Nation deutlich vor Augen geführt, dass Präsident Yoon das Land nicht mehr normal führen kann. Er sollte zurücktreten", sagte der ranghohe DP-Abgeordnete Park Chan-dae in einer Erklärung.
Die Nationalversammlung kann den Präsidenten anklagen, wenn sich mehr als zwei Drittel der Abgeordneten dafür aussprechen. Das Verfahren würde dann vom Verfassungsgericht verhandelt werden. Die Partei von Yoon verfügt über 108 Sitze in dem 300 Mitglieder zählenden Parlament. Im Falle eines Rücktritts oder einer Amtsenthebung würde Ministerpräsident Han das Amt des Parteivorsitzenden übernehmen. Innerhalb von 60 Tagen müssten dann Neuwahlen stattfinden.
Parlament pochte auf umgehende Aufhebung des Kriegsrechts
Präsident Yoon hatte am Dienstag das Kriegsrecht verhängt, um es nur wenige Stunden später wieder aufzuheben. Damit löste er die wahrscheinlich größte politische Krise seit Jahrzehnten in Asiens viertgrößter Volkswirtschaft aus. Yoons Verhalten führte am späten Dienstagabend auch zu einer Auseinandersetzung im Parlament. Eine Koalition von Abgeordneten der Oppositionsparteien erklärte, sie wolle am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Amtsenthebung Yoons vorlegen, über den innerhalb von 72 Stunden abgestimmt werden solle.
In einer Fernsehansprache erklärte Yoon der Nation zunächst, dass das Kriegsrecht notwendig sei, um das Land vor dem atomar bewaffneten Nordkorea und staatsfeindlichen Kräften aus dem Norden zu schützen und die freiheitliche verfassungsmäßige Ordnung zu bewahren, obwohl er keine konkreten Bedrohungen nannte. Innerhalb weniger Stunden verabschiedete das südkoreanische Parlament, in dem 190 der 300 Abgeordneten anwesend waren, einstimmig einen Antrag auf Aufhebung des Kriegsrechts, darunter alle 18 Abgeordneten von Yoons Partei. Daraufhin hob der Präsident die Erklärung wieder auf. Wie die Nachrichtenagenturen Newsis und Yonhap am Mittwoch berichteten, haben Yoons Stabschef und hochrangige Sekretäre offenbar bereits ihren Rücktritt angeboten.
Nachdem der Präsident das Kriegsrecht wieder aufgehoben hatte, brach unter den Demonstranten vor dem Parlament der Nationalversammlung Jubel aus. "Wir haben gewonnen", skandierten sie. Es werden für Mittwoch jedoch weitere Proteste erwartet. Der größte Gewerkschaftsverband Südkoreas, der Koreanische Gewerkschaftsbund, kündigte an, dass Tausende seiner Mitglieder so lange streiken würden, bis Yoon zurücktrete.
USA begrüßen Aufhebung
International löste die Ausrufung des Kriegsrechts in Südkorea Besorgnis aus. Einer der wichtigsten Verbündeten sind die USA. In Südkorea sind 28.500 US-Soldaten stationiert, um den Verbündeten gegen die Atommacht Nordkorea zu beschützen. Aus dem Weißen Haus kam am Dienstag noch die Mitteilung, dass man erleichtert darüber sei, dass der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol seinen Kurs bezüglich der Verhängung des Kriegsrechts in Südkorea noch geändert habe. Auch US-Außenminister Antony Blinken begrüßte Yoons Entscheidung. "Wir erwarten weiterhin, dass politische Meinungsverschiedenheiten friedlich und in Übereinstimmung mit der Rechtsstaatlichkeit gelöst werden", erklärte Blinken.
Die USA hatten jedoch US-Bürger in Südkorea dazu aufgerufen, Gebiete zu meiden, in denen Proteste stattfinden, teilte die US-Botschaft in Seoul in einer Erklärung mit. Der Korea-Krieg auf der Halbinsel dauerte von 1950 bis 1953 und endete mit einem Waffenstillstand. Faktisch befinden sich die beiden koreanischen Staaten noch im Kriegszustand. In seiner frühen Phase hatte Südkorea zwar eine Reihe autoritärer Regierungen, seit den 1980er Jahren gilt es jedoch als demokratisch. Seit der Gründung der Republik Südkorea im Jahr 1948 wurde in mehr als einem Dutzend Fällen das Kriegsrecht verhängt.
(apa/mc)