Plakolm für EU-Erweiterung
Viele Kandidaten da
(10.04.2025) Bevor die Ukraine beitreten darf, gibts noch einige Kandidaten, die theoretisch vorher dran sein sollten. Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) fordert mehr Tempo bei der EU-Erweiterung. Am Westbalkan müssten "endlich spürbare Schritte für die Bevölkerung erfolgen", sagte Plakolm im APA-Interview. Sie wünsche sich, dass die EU erste Beitrittskandidaten "in wenigen Jahren", jedenfalls bis 2030 aufnimmt. Angesichts der aggressiven Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump fordert sie, Europa müsse "das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen", anstatt bloß zu hoffen.
"20 Jahre kein Fortschritt am Westbalkan"
Plakolm beanstandet, dass "wir seit über 20 Jahren über den Westbalkan sprechen, aber keine wesentlichen Fortschritte gemacht werden, weil meistens Nachbarländer auf der Bremse stehen". In diesem Zusammenhang kann sich Plakolm auch eine Einschränkung der Vetomöglichkeiten in der EU vorstellen. Es wäre "sinnvoller, manche Schritte schneller machen zu können, und erst zum Ende des gesamten Prozesses wieder auf die Einstimmigkeit zurückzukommen. Aber ich halte es schon für wichtig, dass wir in zentralen Fragen die Einstimmigkeit und das Gespräch miteinander finden."
Die EU riskiere, an Glaubwürdigkeit am Westbalkan zu verlieren, warnte die Europaministerin. "Es besteht die Gefahr, wenn wir die europäische Integration versäumen, dass der Westbalkan zum Spielball anderer geopolitischer Mächte wird", meinte sie in offensichtlicher Anspielung auf die versuchte regionale Einflussnahme von Großmächten wie Russland oder China. "Man spürt, insbesondere, wenn wir an die Demonstrationen in Serbien denken, dass die Bevölkerung bereit ist für Reformen, für die europäische Integration, mehr denn je, und dass sie jetzt endlich auch spürbare Verbesserungen braucht. Man sieht, dass das auch von einer Jugend getragen ist, von Studierenden, die auf die Straße gehen und von der Politik Dinge einfordern", erklärte die 30-jährige Ministerin für Europa, Integration und Familie.
Die EU sollte fortgeschrittene Beitrittskandidaten im Rahmen einer "graduellen Integration" an EU-Programmen teilnehmen lassen, plädierte Plakolm. "Das kann zum Beispiel in einer besseren wirtschaftlichen Zusammenarbeit passieren mit spürbarem Nutzen für die Bevölkerung und für die Unternehmen am Westbalkan, was natürlich gleichzeitig mit Verpflichtungen einhergeht. Man kann hier schon einen Fuß nach dem anderen setzen und in Ländern, die schon gut dabei sind europäische Programme ausweiten oder starten." Als am weitesten fortgeschritten stufte Plakolm die EU-Beitrittskandidaten Montenegro, Nordmazedonien und Albanien ein. Auf die Nachfrage, ob für diese Länder ein Beitritt bis 2030 realistisch sei, meinte die Europaministerin: "Hoffentlich, das würde ich mir wünschen."
"Westbalkan weiter vor als Ukraine"
Dass die Ukraine den EU-Kandidatenstatus erhalten habe, sei eine geopolitische Entscheidung gewesen", so Plakolm. Es sei klar, "dass wir uns zur Unterstützung der Ukraine als Österreich, als Europäische Union, bekennen. Denn hier ist ein Land überfallen worden am 24. Februar 2022 auf europäischem Boden. Und eine stärkere Annäherung an unsere europäische Prinzipien, an unsere Werte, kann ja nur vorteilhaft sein." Doch selbst wenn der Angriffskrieg Russlands ein baldiges Ende finde, "wird die Ukraine nicht von einem Tag auf den anderen bereit sein, Mitgliedsland der Europäischen Union zu werden". Dieser Prozess habe bei manchen Ländern über 20 Jahre gedauert, erinnerte Plakolm und ergänzte: "Da ist der Westbalkan deutlich weiter vorne als die Ukraine."
Einen vom deutschen Ex-Außenminister Sigmar Gabriel vorgeschlagen EU-Beitritt Kanadas, das sich vehement gegen Trumps Annexionsvorstellungen wehrt, kann Plakolm wenig abgewinnen. "Es befinden sich genug Beitrittskandidaten im Wartezimmer." Gerade in Hinblick auf Kanada wäre aber zentral, dass die EU ihre internationalen Partnerschaften stärke.
"Europa als altes Schiff im Meer"
Angesichts des "globalen Sturms", der aktuell nicht zuletzt wegen der forschen Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump um den Erdball fegt, forderte die ÖVP-Politikerin europäisches Selbstbewusstsein: "Wichtig ist, dass wir uns nicht zurückziehen als Europa, dass wir unsere strategische Souveränität fokussieren, nicht auf die Gnade anderer angewiesen sind und als starker Partner in der Welt wahrgenommen werden, und nicht als Spielball zwischen globalen Mächten." Plakolm verglich Europa im APA-Gespräch mit einem "alten Schiff", das im Meer steht und darauf hofft, dass endlich der Wind von der richtigen Richtung bläst. "Aber eigentlich könnte man die Segel auch selbst so drehen, dass man davon profitiert."
(fd/apa)