"musikalische Analphabeten"
Musikunterreicht in Gefahr
(31.03.2024) In Österreich herrscht laut Österreichischem Musikrat (ÖMR) derzeit ein akuter Mangel an Musiklehrerinnen und -lehrern. Vor allem an Mittelschulen in Wien sei die Lage angespannt. Dort gibt es kaum noch voll ausgebildete Musikpädagogen im Klassenzimmer. Ferdinand Breitschopf, Fachinspektor für Musik in Wien und ÖMR-Vorstandsmitglied befürchtet als Folge "musikalische Analphabeten".
Problem ist nicht neu
Der Mangel habe sich seit zehn, 15 Jahren angekündigt. In Wien und Niederösterreich sei stets ein Viertel der Musikstunden von Lehrern unterrichtet worden, die nicht das Lehramtsstudium, sondern berufsnahe Studien wie Instrumentalmusik, Musikwissenschaft oder Konzertfach abgeschlossen hatten. "Aber jetzt marschieren wir von den Leuten, die heuer anfangen, in Richtung 50 Prozent oder mehr", so Breitschopf zur APA. "Dieses Problem ist in den letzten drei Jahren wirklich eskaliert." Engpässe gibt es auch in den anderen Bundesländern. So wurde Anfang März an der Salzburger Musik-Uni Mozarteum eine Initiative gegen den Musiklehrermangel in Oberösterreich und Salzburg gestartet.
Nicht genug Ausbildungsplätze
Es gebe zu wenige Ausbildungsplätze für Musiklehrkräfte, schildert Breitschopf am Beispiel der Region Nord-Ost (Wien, Niederösterreich). Dabei spielt auch die Umstellung der Ausbildung für Sekundarstufelehrer (Mittelschule, AHS, BMHS) von 2016 hinein: Diese werden seither in bundesländerübergreifenden Verbünden von Unis und Pädagogischen Hochschulen (PH) gemeinsam ausgebildet. In der Region Nord-Ost bräuchte es laut Breitschopf eigentlich 80 Studienanfänger pro Jahr, damit es langfristig genug Musikpädagoginnen und -pädagogen gibt. In der Praxis gibt es an der Wiener Musikuni, der seit 2016 einzigen Musiklehrer-Ausbildungseinrichtung in Wien und Niederösterreich, allerdings nur 45 Plätze.
Dazu kommt laut Breitschopf, dass wegen der vielfältigen Berufsbilder für Musikpädagogen gerade einmal die Hälfte der Absolventen nach dem Abschluss langfristig im Schuldienst arbeiten. "Mit diesen Leuten muss die ganze Sekundarstufe - alle Mittelschulen, alle AHS - in Wien und Niederösterreich befüllt werden. Man kann sich sicher vorstellen, dass das mit 20 AbsolventInnen pro Jahr nicht funktioniert."
Mittelschulen im Brennpunkt
Besonders prekär ist die Situation laut Breitschopf an den Mittelschulen: Nur wenige der auf hohem musikalischem Niveau ausgebildeten Absolventinnen und Absolventen wollen an diese Standorte, die oft schlechter ausgestattet sind und wo Musik eine geringere Wertigkeit hat als an AHS. Das Fach werde dort deshalb komplett von Lehrern ohne entsprechende Ausbildung unterrichtet. "Das ist ein ganz massives Problem, wir bekommen dann Kohorten von musikalischen Analphabeten in der Mittelschule heraus - und das ist nicht im Sinne der musikalischen Bildung, des Kunst- und Kulturlandes Österreich noch im Sinne der gesellschaftlich wichtigen Sozial- und der Gemütsbildung von Jugendlichen."
(APA/DS)