IS-Rückkehrerin verurteilt
Urteil: 2 Jahre bedingt
(09.04.2025) Heute ist die Kindesmutter verurteilt worden. Die am 1. März mit ihrem siebenjährigen Sohn aus Syrien heimgeholte Ex-IS-Anhängerin Evelyn T. ist am Mittwoch am Wiener Landesgericht wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation verurteilt worden. Ein Schöffensenat verhängte über die 26-Jährige eine zweijährige Freiheitsstrafe, die ihr unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Die Frau, die seit 1. März in U-Haft gesessen war, wird nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt.
Geständnis
Die 26-Jährige hatte vor Gericht ein umfassendes Geständnis abgelegt. Ihr war in der Verhandlung äußerlich, ihre IS-Vergangenheit nicht anzusehen. Sie trug einen schwarzen Blazer, eine dazu passende schwarze Hose und offenes, langes Haar, als sie von der Justizwache in den Saal gebracht wurde. Interessiert blickte sie ins Publikum und nahm Augenkontakt zu anwesenden Angehörigen auf. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Eine Schulklasse, die der Verhandlung beiwohnen hätte wollen, musste mangels Sitzgelegenheiten abgewiesen werden. Der Prozess wurde von maskierten und schwer bewaffneten Kräften der Justizwache Einsatzgruppe (JEG), mehreren Polizeibeamten und Verfassungsschützern bewacht.
Laut Anklage hatte Evelyn T. Anfang 2015 - sie war damals 16 Jahre alt - in Wien über gemeinsame Bekannte den gebürtigen Afghanen Qais Z. kennengelernt. Sie hegte schon damals Sympathien für die radikalislamische Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS). Qais Z. teilte dieses Gedankengut in ausgeprägter Form. "Er war wirklich stark radikalisiert", meinte Verteidigerin Anna Mair zu Beginn der Verhandlung. Ihre Mandantin habe zu dem um zehn Jahre älteren Mann, der "gut aussehend, charmant" gewesen sei, aufgesehen und ihn nach islamischem Recht geheiratet, sagte Mair. "Er hat mir ein perfektes Leben versprochen", bestätigte die Angeklagte, "er hat gesagt, wir können zum IS gehen." Sie sei davon zunächst "überfordert" gewesen, habe sich dann aber "ein schöneres Leben" ausgemalt: "Ich war wie in einer Grube, aus der ich nicht rausgekommen bin."
Mit 14 in IS-Kreise geraten
Mit 14 war die damals gerade Strafmündige in IS-Kreise geraten. Dabei war sie in einem nicht sehr religiösen Elternhaus aufgewachsen. Ihre Mutter ist Christin, ihr Vater Moslem, die Religion wurde zu Hause aber nicht praktiziert. Mit 15, 16 hätte ihre Mandantin einen ausschließlich aus IS-Sympathisantinnen und -Sympathisanten bestehenden Freundeskreis gehabt, erklärte Verteidigerin Mair. Auf "warnende, kritische Stimmen" hätte sie nicht gehört: "Sie war in einer Blase. Alle, die außerhalb dieser Blase waren, waren der Feind. Dabei sei ihrer Mandantin klar gewesen, "dass der IS eine Terrororganisation ist."
Nach der Trauung reiste der Mann im April 2015 nach Syrien, um sich unter dem Kampfnamen Abu Luqman al-Afghani dem IS anzuschließen. Er absolvierte in weiterer Folge in Mosul im Irak eine Kampfausbildung und war danach Teil des "Bataillons der Fremden", das sich aus ausländischen Foreign Fighters zusammensetzte, die in Nordsyrien aufseiten des IS kämpften. Im September 2015 wurde Abu Luqman al-Afghani vom IS zum Kämpfen nach Ramadi im Irak geschickt.
Wollte schon mit 16 nach Syrien zum IS
Laut Anklage versuchte Evelyn T. erstmals Ende April 2015 über die Türkei zu ihrem Mann zu gelangen. Sie wurde jedoch am Flughafen in Istanbul an der Weiterreise gehindert und zurück nach Wien geschickt. Im Juli desselben Jahres bediente sie sich des Reisepasses ihrer Schwester und flog erneut nach Istanbul, um in Syrien mit ihrem Mann zusammenzukommen - das klappte jedoch nicht, weil dieser ihr mitteilte, dass er in den Irak verlegt werden sollte. Am 17. September kehrte Evelyn T. daher zurück nach Österreich und kam für zwei Wochen in Haft - die Behörden hatten von der Reisetätigkeit der IS-Sympathisantin Kenntnis erlangt. Die Angeklagte habe im Gefängnis "die Radikalisierung in keinster Weise abgelegt", sagte der Staatsanwalt.
Ihre Schwangerschaft sei "so wie ein Weckruf" gewesen, legte die Angeklagte dar. Da sei "die Blase, in der ich die ganze Zeit war, geplatzt". Ihr sei klar geworden, dass sie das Leben, in das sie sich eingefügt hätte, "für mein Kind nicht will. Ich wollte nicht, dass mein Kind so aufwächst, in so einer radikalen Umgebung. Mit dem IS und so einem Vater." In dieser Phase habe sie ihren Mann als "größten Feind" empfunden.
Geburt hat alles verändert
Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes habe sich ihr Mann geändert. "Ich werde dir helfen, zu gehen", habe er ihr versprochen und "Ich will auch gehen" erklärt. "Mein Kind war meine Rettung für mich", gab Evelyn T. zu Protokoll. Sie hätte gemeinsam mit ihrem Mann den IS verlassen: "Wir waren einen Monat unterwegs". Es sei sehr gefährlich gewesen, "wer vom IS raus wollte und erwischt wurde, das war die Todesstrafe". Ende 2017 habe es in Syrien aber schon "ein Durcheinander" gegeben, der IS hätte Niederlagen bezogen. Als sie und ihr Mann sich schließlich den Kurden ergeben hätten, sei das "eine Riesenerleichterung, dass ich raus war" gewesen.
Am 1. November 2017 hatte sich das Paar den alliierten Kräften der Freien Syrischen Armee (FSA) ergeben, nachdem diese dem IS eine herbe Niederlage zugefügt hatten. Evelyn T. war in weiterer Folge bis Ende Februar 2025 mit ihrem Sohn im Gefangenenlager Al-Roj in Syrien interniert, ehe sie vom Außenministerium zurückgeholt wurde.
Angeklagte berichtete ausführlich über Erfahrungen im Lager
Ausführlich beschrieb die 26-Jährige dem Gericht ihr Leben im Lager. Am Anfang habe es "gar nichts" geben: "Wir konnten nicht kochen. Man musste Feuer machen. Ich war wie ein Trottel. Ich habe von nichts eine Ahnung gehabt." Sie habe sich jede Woche Durchhalten suggeriert und auf ihre alsbaldige Rückholung nach Österreich gehofft: "Jede Woche wurde zu Monaten. Jeder Monat zu Jahren. Mit jedem Jahr wurde es immer schwieriger im Lager. Es wurden immer mehr IS-Anhänger." Kontakt zu ihrem Mann hat Evelyn T. übrigens keinen mehr. Dieser wurde nach seiner Gefangennahme in den Irak überstellt und soll dort als ehemaliger IS-Kämpfer inzwischen gerichtlich zum Tod verurteilt worden sein.
(fd/apa)