Ein Sack voll Traumata

Oder eine lebendige Tradition?

(05.12.2024) Schwarz und weiß. Gut und böse. Brav und schlimm. Brav sein wird belohnt, schlimm sein wird bestraft. Vom Krampus. Bewaffnet mit Ruten, Ketten und einem Sack, bereit, die "schlimmen" Kinder zu holen. Weil nichts Erziehung so nachhaltig prägt wie blanke Angst. Danke, Krampus?

“Zu dir wird a’mal der Krampus kommen, du Schlingl!”

Diese Worte meiner Oma hallen mir immer noch nach, auch wenn ich längst erwachsen bin. Als Kind ein drohendes Versprechen, das in meiner Vorstellung immer größer wurde, je näher der Dezember rückte.

Krampus-Ausschreitungen in Kärnten. Schlägereien bei Perchten-Lauf mit 50 Beteiligten. Verletzte bei Krampus-Umzügen. Minderjährige verletzt bei Krampus-Läufen. Schlagzeilen häufen sich. Höchstwahrscheinlich nichts Neues, denn die bereits 80-jährige Gerda erzählt mir, dass sie heute noch weglaufen möchte, wenn sie Perchten-Glocken hört. Als Kind wurde sie mit Ruten gepeitscht und anschließend in einen Sack gesteckt.

Sollten wir im Jahr 2024 nicht pädagogisch weiter sein als in den 1950er Jahren?
Hat die Tradition ihr Limit erreicht?


Auch weitere Interviewpartnerinnen werden mir ihre Geschichte erzählen. Die Erfahrungen, die sie mit Krampussen gemacht haben, prägen sie heute noch.

Schnaps auf Ex, Kostüm an, Maske auf. Für viele Perchtenläufer sind die Krampusläufe eine Art Ventil. Sexualisierte Gewalt, einfach gemacht? Denn klar, die Maske und das bedrohliche Kostüm geben Anonymität, die das Verhalten der Teilnehmer:innen schwer nachvollziehbar macht. Und hat es weh getan, ist das ja ein Teil der Tradition, oder?

“Noch heute habe ich das Stöhnen im Ohr, wenn ich Perchten-Glocken höre”

Die 25-jährige Marie erzählt mir von ihrem Erlebnis. Als sie 13 Jahre alt war, schwingt sie sich nach einem Krampuslauf auf ihr Rad, als sie plötzlich von einem Krampus überrascht wird.

Maries Erlebnis

0:00 / 0:00

An und für sich möge Marie den Brauch. Angst abrufen zu können, dem könne die Grusel-Enthusiastin viel abgewinnen.
Anders als die 27-jährige Larissa, die schon seit klein auf wenig Verständnis hat, wenn es um den Brauch der gehörnten Begleiter vom Nikolo geht. Sie versucht sie zu meiden, weshalb sie auch, wenn Perchten-Umzüge in Villach anstehen, weit weg von dem Event parkt.

Larissas Erlebnis

0:00 / 0:00

Dagegen könnte man aber auf jeden Fall vorbeugen, erklärt mir die Perchten-Verein-Obfrau Vanessa Kossits aus dem Bezirk Baden. Sie ist in der Perchten-Szene seit acht Jahren und führt den Perchtenverein Mephistos Höllenfürsten.
Ihr Credo: Es benötige Brauchtum und es müsse leben, um es weiterzugeben. Kossits ist begeistert von der Kunst dahinter, schließlich seien all ihre Kostüme handgemacht.

“Es ist wichtig, dass jeder wohlauf ist, ob Maske auf oder nicht"

Interview mit Larissa

0:00 / 0:00

Auch auf Social Media werden immer mehr Videos von Krampus-Läufen, die übergriffig enden können, veröffentlicht.

Laut Vanessa auch nicht zu unterschätzen: Oft werden die Menschen, die in den Kostümen stecken, verletzt. Es wird getreten, an den Hörnern gezogen, beschimpft und geboxt.

„Uns hats doch auch nicht geschadet!“

Besonders in den letzten Jahren, stehen Krampus-Läufe immer häufiger unter Kritik. Die Rolle vom Krampus stünde fälschlicherweise oft für eine veraltete Erziehungskultur. Eine Kultur, die Kindern sagt: „Wenn du nicht spurst, kommt die Dunkelheit und holt dich.“ Eine Kultur, die die Welt in „brav“ und „schlimm“ enteilt. Doch eigentlich treiben Krampusse und Perchten ihr Unwesen, um in den Rauhnächten die bösen Geister zu vertreiben. Hausbesuche im Doppelpack mit dem Nikolo sind trotzdem auch im Verein Mephistos Höllenfürsten Gang und Gebe.

“Erziehung ist nicht unsere Aufgabe”

Obfrau Vanessa hat zur Rolle von Krampus und Nikolo eine eindeutige Meinung.

Interview mit Vanessa

0:00 / 0:00

Geschichte hin oder her: Gerade in Bundesländern, in denen der Krampuslauf tief verwurzelt ist, wird dies oft nicht streng überwacht. Andernfalls wäre ein Vorfall wie der mit der Kärntnerin Anne anders behandelt worden. Sie ist 14 Jahre alt gewesen, als eine Freundin sie überredet hat, zu einem Perchtenlauf in St. Veit an der Glan zu gehen. Normalerweise gibt es eine festgelegte Route, auf der die Krampusse ihre Runden drehen. Als die beiden Mädchen auf dem Heimweg sind, merken sie, dass ein Krampus sie verfolgt. Sie rennen, rennen, rennen – davon, vor einer gruseligen Gestalt, aber auch vor der Gewalt, die er ausübt. Sie werden immer schneller, alle drei. Bis ihre Freundin und sie über einen Zaun in einen fremden Garten klettern können. Die Perchten gehen. Endlich.

Ein Erlebnis, das sie bis heute prägt.
Seitdem war sie nie wieder auf einem Perchtenlauf.

Der Krampuslauf: Ein Ritual im Wandel. Einerseits ein kunstvolles, kollektives Ereignis, das Gemeinschaft und Tradition vereinen. Andererseits eine Möglichkeit, Aggressionen und Gewalt hinter einer Maske ausleben zu können. Moralische Debatte hin oder her, Körperverletzungen und sexuelle Übergriffe sind Straftaten, die zur Anzeige gebracht werden können.

(sn)

Strom und Gas spürbar teurer

im Jahr 2025

Supermärkte investieren 300 Mio.€

in Einwegpfand-System

Lawinenabgang bei Innsbruck

Entwarnung nach langer Suche

Passagierflugzeug abgestürzt

in Kasachstan

Trump für Umsetzung der Todesstrafe

will sich energisch dafür einsetzen

Dortmunds Rekord-Christbaum

Größter Christbaum der Welt

Weihnachten und Smartphones

Tradition trifft Moderne

Macron ernennt neue Regierung

Update aus Frankreich