Begnadigung: Straftäter frei
Kapitol-Attacke
(22.01.2025) Kurz nach der Begnadigung aller Straftäter der Kapitol-Attacke durch den neuen US-Präsidenten Donald Trump sind viele Verurteilte wieder auf freiem Fuß - und triumphieren. Darunter sind Leute, die damals brutal auf Polizisten und andere Sicherheitskräfte eingeprügelt haben. Auch die Beschuldigten mit den höchsten Haftstrafen - die früheren Frontmänner der beiden rechtsradikalen Gruppen "Oath Keepers" und "Proud Boys", Stewart Rhodes und Henry "Enrique" Tarrio - sind frei.
Begnadigungen überraschen
Trumps rigorose Total-Begnadigung von allen aberhunderten Straftätern vom 6. Jänner 2021 überrascht selbst Leute aus seinem Umfeld. Hochrangige Demokraten und Ex-Polizisten haben empört und höchst alarmiert reagiert. Trump hat seine Entscheidung gerechtfertigt und gesagt, viele Strafen seien "lächerlich" und "exzessiv" gewesen. Sein Schritt beweist einmal mehr, dass der Republikaner keinen Tabubruch scheut. Es zeigt aber auch, wie lädiert das amerikanische Justizsystem ist - und wie gefährdet die amerikanische Demokratie.
Begnadigung für alle - egal ob Gewalttäter oder nicht
Am 6. Jänner 2021 haben Anhänger des damaligen Präsidenten Trump den Parlamentssitz in Washington gewaltsam gestürmt. Dort war der Kongress an jenem Tag zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentenwahl 2020 gegen Trump formal zu bestätigen. Trump hat seine Unterstützer zuvor in einer Rede und über Wochen zuvor mit unbelegten Behauptungen angestachelt, ihm sei der Wahlsieg durch Betrug gestohlen worden. Infolge der Krawalle kamen damals fünf Menschen ums Leben.
Manche der Randalierer wurden für kleinere Straftatbestände angeklagt - etwa dafür, dass sie unrechtmäßig in das Kapitol eingedrungen sind, sich Polizisten widersetzt, Scheiben eingeschlagen, Gegenstände im Gebäude zerstört oder gestohlen haben. Andere wurden wegen schwerer Straftaten verurteilt, etwa weil sie mit Stöcken, Metallstangen oder Fäusten Polizisten niederprügelt oder von langer Hand die Attacke zur Sabotage des Machtwechsels geplant haben.
Widerspricht Vance Trump?
Trump hat von Anfang an versprochen, verurteilte Anhänger von damals zu begnadigen. Er hat aber mehrfach betont, er wolle sich jeden Einzelfall anzuschauen. Sein Vizepräsident J.D. Vance hat noch wenige Tage vor der Amtseinführung in einem Fernsehinterview gesagt: "Wer an dem Tag Gewalt begangen hat, sollte natürlich nicht begnadigt werden." Sein Chef sah das offenkundig anders und ordnete an, alle freizulassen - egal ob Gewalttäter oder nicht.
Rechtsextreme feiern
Rhodes und Tarrio waren zwar selbst nicht bei der Randale dabei. Sie haben aber aus dem Hintergrund ihre Leute orchestriert, die teils in voller Kampfausrüstung am Kapitol erschienen sind und die Attacke lange vorbereitet haben. Sowohl Rhodes als auch Tarrio wurden unter anderem wegen "aufrührerischer Verschwörung" schuldig gesprochen - ein Straftatbestand, der in der Justizgeschichte der USA zuvor nur selten zum Einsatz kam. Rhodes bekam 18 Jahre Haft, Tarrio sogar 22 Jahre. Ihnen wurde vorgeworfen worden, ein Komplott geschmiedet zu haben - mit dem Ziel, den Machtwechsel nach der Präsidentenwahl 2020 mit Gewalt zu verhindern. Nun sind sie freie Männer.
Trump gibt Rechtsextremen "Leben zurück"
Tarrio äußerte sich kurz nach seiner Freilassung in einem Interview mit dem rechten Verschwörungstheoretiker Alex Jones. Er sei sprachlos vor Freude, sagt der Rechtsextremist da. "22 Jahre sind keine kurze Strafe. (...) Trump hat mir buchstäblich mein Leben zurückgegeben." Mit Blick auf die Haft für ihn und andere "Proud Boys" sagte er: "Wir sind durch die Hölle gegangen. Und ich sage euch, das war es wert."
Auch Rhodes ist kurz nach seiner Freilassung aus einem Gefängnis im Bundesstaat Maryland vor einer Haftanstalt in der Hauptstadt Washington aufgetaucht, um seine Solidarität mit anderen Häftlingen zu bekunden. "Präsident Trump hat das Richtige getan", sagt der Mann mit der markanten Augenklappe dort und beklagt, er und die anderen hätten keinen fairen Prozess bekommen.
"Ein neuer Sheriff ist in der Stadt"
An Gefängnissen in verschiedenen Städten in den USA wurden Häftlinge vom 6. Jänner von Angehörigen, Freunden und Unterstützern in Empfang genommen und gefeiert. An einer Haftanstalt in der Hauptstadt Washington hat ein älterer Mann mit Trump-Wollmütze und einer Trump-Fahne über der Schulter auf die Freilassung seiner beiden erwachsenen Kinder gewartet. Die wurden eingesperrt, weil sie am 6. Jänner 2021 unter anderem brutal auf Polizisten eingeprügelt haben. Der Vater sagt beim Warten vor Journalisten, wie stolz er auf seine Kinder sei und dass dies ein Tag des Sieges sei. Mit Blick auf Trump sagt er: "Ein neuer Sheriff ist in der Stadt."
In der Tat fühlt sich in den USA mit Trump an der Macht mancher zurück in den "Wilden Westen" versetzt. Der Polizist Michael Fanone, der am 6. Jänner 2021 am Kapitol im Einsatz war, niedergeknüppelt und mit einem Elektroschocker malträtiert wurde, sagt dem Sender CNN, er habe nach der Begnadigung seiner Peiniger nun Angst um seine Sicherheit und die seiner Kinder.
(APA/EC)