Angst vor Kanzler Kickl?
Internationale Besorgnis
(07.01.2025) Nicht nur die internationale Presse ist besorgt, auch mit den heimischen Vertrauenswerten ist es nicht so gut um Herbert Kickl bestellt. Mit ihm steht ein Mann vor dem Sprung ins Kanzleramt, der die Bevölkerung polarisiert wie kein anderer Bundespolitiker. Im APA/OGM-Vertrauensindex belegte der FPÖ-Chef zuletzt stets einen der hintersten Plätze. Während die Vertrauenswerte der Bundeskanzler üblicherweise über die eigene Kernwählerschaft hinausreichen, schlägt Kickl außerhalb der freiheitlichen Anhänger breites Misstrauen entgegen. In der Kanzlerfrage lag Kickl zuletzt aber vor der Konkurrenz.
Internationale Tageszeitungen kommentieren den Regierungsbildungsauftrag an FPÖ-Chef Herbert Kickl am Dienstag wie folgt:
"Neue Zürcher Zeitung"
"Nun ist also wahrscheinlich, was (fast) alle politischen Akteure verhindern wollten: dass Herbert Kickl bald die Geschicke des Landes führt. Für Österreich wären Rechtsnationalisten in der Regierungsverantwortung zwar keine Zäsur mehr. Anders als etwa in Deutschland gibt es in dem Land keinen Reflex, Brandmauern gegen rechts zu errichten. Einen FPÖ-Kanzler gab es allerdings noch nie. Für Österreich sind das keine guten Aussichten. Aber noch ist Kickl nicht im Kanzleramt. Will er bald dorthin, braucht er einen Partner – und muss zwangsläufig Kompromisse machen. Inhaltliche Überschneidungen zwischen den beiden Parteien – etwa in der Sicherheits- und Migrationspolitik – gibt es zwar schon lange. Doch Kickl hat sich in vielen Positionen radikalisiert. Die Verantwortung, ihn zu zügeln, liegt nun bei der ÖVP.
"ABC" (Madrid):
"Jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen. (...) Die politische Brandmauer ist in Österreich eingestürzt. Ausgerechnet ihre Hauptbefürworter - die Parteien des Mitte-Links-Spektrums - tragen dafür die Verantwortung. Nun stellt sich die Frage, ob es in Österreich die extreme Rechte stärkt oder schwächt, sie von den Institutionen fernzuhalten. Gleichzeitig gilt es herauszufinden, ob die wahre Gefahr für die liberale Demokratie in der politischen Ausrichtung der Regierenden liegt - oder vielmehr im Umgang mit den bestehenden Regeln sowie in der Unabhängigkeit der anderen Institutionen."
"de Volkskrant" (Amsterdam):
"Herbert Kickl hatte einst für den FPÖ-Vorsitzenden Jörg Haider und die Partei antiislamische und ausländerfeindliche Losungen wie "Daham statt Islam" oder "Mehr Mut für Wiener Blut - Zu viel Fremdes tut niemandem gut" entwickelt. Seine Slogans erwiesen sich als wirkungsvoll. Im Parlament entpuppte sich Kickl als aggressiver Provokateur mit einer populistischen Agenda. (...) Die FPÖ warb für die Kanzlerschaft Kickls mit dem Begriff "Volkskanzler". Eine Bezeichnung, mit der sich in den 1930er-Jahren Adolf Hitler beschrieben hatte. Dass über dieses seinerzeit von Joseph Goebbels geprägte "Nazi-Wort" ein kleiner Mediensturm entbrannte, kam der FPÖ gelegen. Je mehr Aufmerksamkeit in den Medien, desto besser, meint Kickl. (...)
"Népszava" (Budapest):
"Es ist kein besonders vielversprechendes Zukunftsbild, dass Österreich einen Bundeskanzler bekommt, der offen pro-russische Ansichten vertritt. Und Donald Trump ist noch nicht einmal in sein Amt eingeführt worden. Vielleicht ist es besser, gar nicht erst darüber nachzudenken, was die Zukunft bringt."
Planung der Koalitionsgespräche
Die FPÖ berät am Dienstag den Fahrplan für mögliche Koalitionsgespräche. Nachdem Bundespräsident Alexander Van der Bellen dem blauen Parteichef und Wahlsieger Herbert Kickl nun doch den Regierungsbildungsauftrag erteilt hat, kommen Dienstagabend die Parteigremien zusammen. Ein öffentliches Statement Kickls gibt es am Nachmittag in einer Pressekonferenz. Danach will sich auch die ÖVP, die nun offen für Gespräche mit Kickl ist, zu Wort melden.
(fd/apa)